Zum heutigen Antrag der Linken im Sächsischen Landtag „Sofortprogramm ‘Sicheres Sachsen‘ – Ergebnisoffene Evaluierung der Polizei und Sofortprogramm für eine moderne, attraktive, hoch motivierte sowie personell und materiell vernünftig ausgestattete Polizei jetzt!“ sagte der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Sebastian Wippel, im Plenum (schriftliche Dokumentation der Rede):
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen Abgeordnete,
wir sprechen heute über einen Antrag der Linken. Um ihn zu verstehen und zu beurteilen, müssen wir aber in die jüngste Geschichte zurückgehen.
Vor weit über einem Jahr beschloss der Landtag mit der Drucksache 6/1068 die Sächsische Polizei hinsichtlich „ihrer Aufgaben, ihrer Personal- und Sachausstattung zu evaluieren.“ Das Ergebnis der von der Staatsregierung eingesetzten Fachkommission liegt seit über einem halben Jahr vor. Der Streit um die Erfüllung des Parlamentsauftrages dauert ebenso lange an.
Es stellt sich also die Frage, ob es eines Antrages wie dem Vorliegenden überhaupt bedarf?
- Durch die so genannte Evaluierung ist dem Letzten klar geworden: Die verschiedenen CDU-geführten Staatsregierungen sind mit ihrer Politik des Stellenabbaus bei der sächsischen Polizei vollumfänglich gescheitert.
- Es hat sich – wenig überraschend – gezeigt, dass der bloße Blick auf die demographische Entwicklung zu kurz greift. Davon abgesehen, hat sich die Entwicklung beim Zuzug nach Sachsen auch noch als falsch herausgestellt.
- Inzwischen ist weithin unbestritten, dass die Entwicklungen in Sachsen insbesondere in den Bereichen Absicherung von Demonstrationsgeschehen sowie Verhütung und Verfolgung von Kriminalität einen Personalaufbau erforderlich machen. Zwar können Demonstrationen durchaus – wieder, muss man ja sagen – abgesichert werden, aber nur um den Preis der schlechten Planbarkeit für die Beamten der Bereitschaftspolizei.
- Selbst die Sächsische Staatsregierung hat sich als lernfähig erwiesen und grundsätzlich erkannt, dass die bisherige Politik des Personalabbaus bei der Sächsischen Polizei nicht weiterverfolgt werden kann – und umgekehrten Vorzeichen folgen muss.
Der Parlamentsauftrag ist trotz dieser Erkenntnisse nicht vollumfänglich erfüllt worden.
An welchen Stellen hat es denn nun aus unserer Sicht gehakt?
Der Aufbau der Fachkommission ist ein entscheidender Punkt.
Die Optimierung von Arbeitsabläufen und das Aufdecken von zeitraubenden polizeifremden Aufgaben innerhalb der Polizei hätte gelingen können, wenn man die Mitarbeiter eingebunden hätte – wie es der Parlamentsauftrag richtiger Weise erforderte. Zum Handwerk von Evaluationen und Organisationsentwicklung gehört z.B. die umfassende Mitarbeiterbefragung. Doch das erfolgte nicht!
Noch nicht einmal die Gewerkschaften sind umfänglich einbezogen worden. Die Dienststellen waren vielmehr nur über den Polizeipräsidenten Dieter Kroll eingebunden. Das Innenministerium war jedoch gleich mit zwei Vertretern präsent. Und es hatten von vornherein externe Sachverständige ein großes Übergewicht. Einige davon waren völlig fachfremd. Es wurden keine Evaluierungssachverständigen der eigenen Polizeifachhochschule genutzt, so dass schon hier vermeidbare Zusatzkosten entstanden sind.
Weiter geht es mit Defiziten der Auftragsanalyse und dem Selbstverständnis der Kommission.
Es sollten die Aufgaben der Polizei evaluiert werden. Es wurde eine Bewertung des Personalbedarfs nach tatsächlichem Bedarf zur Aufgabenerfüllung gefordert. Dafür wurden nicht abschließend „Kriterien wie Fläche, Bevölkerung, Kriminalität und Großlagen“ benannt. Die Kommission wich in ihrem Selbstverständnis von vornherein davon ab!
Sie setzte sich über den Parlamentsauftrag hinweg, indem sie von der aufgabenfokussierten Berechnung auf eine abstrakte Gesamtbetrachtung abgestellte.
Eine Beschreibung der bestehenden Aufgaben auf einem hohen Abstraktionsniveau ist jedoch nicht mehr als ein Benennen und Aufzählen von Gesetzen und Verordnungen. Beispielsweise:
Die Berufung auf Regelungen wie die „Polizei Organisationsverordnung“ als bindende Rechtsvorschrift greift zu kurz. Sie beschreibt aber ein Problem der Fachkommission: Die Folgen politischer Entscheidungen werden unhinterfragt als gegeben angenommen. Der Auftrag war es aber politische Entscheidungen vorzubereiten.
Wer nicht bereit ist die Aufgaben neu zu denken und dabei sowohl die Aufgabe selbst, als auch die Struktur zu hinterfragen, wird das Ziel verfehlen und phantasielos im eigenen Saft schmoren. Genau das tat jedoch die Fachkommission.
Nächster Punkt:
Der Antrag 6/1068 sprach davon: „Sicherheit im Freistaat Sachsen gewährleisten“ und „Einer leistungsfähigen Polizei, die ihre Aufgaben vollumfänglich erfüllen kann.“ Vollumfängliche Sicherheit ist ein utopisches Ziel, welches einen exorbitant hohen Ressourceneinsatz erfordern würde. Das benannte Ziel beißt sich mit einem von der Fachkommission genutzten Kriterium: der Haushaltspolitik. Es beißt sich umso mehr, weil die „Grundsätze der Haushaltspolitik“ nicht vom Parlament vorgegeben waren.
Dieser Grundsatz stellte folglich eine zusätzliche Beschränkung der zwingend notwendigen Schlußfolgerungsmöglichkeiten dar und schmälerte den möglichen Erkenntnisgewinn. Es kam aber noch dicker: Die Finanzen wurden beim gewählten und entscheidendem Benchmark nicht gleich, sondern sogar stärker gewichtet als die Sicherheit. Dadurch konnte das Ergebnis der Kommission nicht mehr dem parlamentarischen Auftrag entsprechen.
Richtig wäre ein Vergleich der jeweils besten Bundesländer gewesen. Es wäre richtig gewesen, das benötigte Personal für ein Optimum an Sicherheit zu berechnen und dann die Gesetzgeber darüber beraten zu lassen, ob man der Empfehlung folgen kann. Diese Aussage gilt natürlich nur, wenn man das gewählte Verfahren zur Personalberechnung generell als geeignet ansähe.
Das tatsächlich gewählte Verfahren kann nicht zur Personalberechnung geeignet sein. Es trifft nämlich in der Gesamtbetrachtung keine Aussage darüber, wie viele Polizeibedienstete überhaupt mit den Straftaten und Verkehrsdelikten in Berührung kommen. Es trifft keine Aussage darüber, ob Verfahrensabläufe optimal sind oder unnütze Verwaltungsarbeit auf den Beamten abgeladen wird. Simplifiziert ausgedrückt, wurde nach der Maxime gearbeitet: „Viel hilft viel“.
Will man von dieser Arbeitsweise weg, sind wir wieder bei der Aufgabenkritik, die nicht stattgefunden hat. Auf Seite 86 des Abschlußberichtes stellt die Fachkommission lapidar fest, dass die Aufgaben seit 2009 angewachsen sind. Kritik? Fehlanzeige. Im nächsten Schritt wäre die Berechnung des Personals angezeigt und möglich gewesen. Daß man berechnen kann, zeigten die Gewerkschaft der Polizei und der Hauptpersonalrat.
- Was nun die Frage des Aufwuchses des Personalkörpers bei der Sächsischen Polizei angeht, sind Zweifel angebracht, ob hier seitens der Staatsregierung ausreichende Schritte in die Wege geleitet wurden.
- Bereits am 14. Dezember 2015 übergab die Fachkommission dem Staatsminister des Innern ihren Abschlussbericht, in welchem sie eine Erhöhung der Stellenzahl in der Sächsischen Polizei um 998, also gut 1000 Stellen empfiehlt.
- Der extrem kurze Zeitraum von gerade einmal 5 Monaten, in dem die Kommission ihrer Aufgabe der Evaluierung nachzukommen glaubte und sogar einen Abschlussbericht erstellte, veranlasst zu begründeter Skepsis. Die Kommission selber ließ gelegentlich im Abschlussbericht anklingen, dass der kurze Zeitraum nur bestimmte Betrachtungen zulässt.
- Nur geht leider Gründlichkeit bekanntermaßen vor Schnelligkeit. Und so ließen die zur Anhörung über den Abschlussbericht am 12. Mai dieses Jahres geladenen Experten „nicht allzu viele gute Haare“ an der Arbeit der Kommission, sieht man einmal von Frau Prof. Dr. Gisela Färber ab, die der Fachkommission selber angehört hatte.
- Wir haben z.B. in der Anhörung vom Sachverständigen Bonvin gelernt, daß eine Evaluierung der Polizei etwa ein Jahr dauern würde.
- Die Empfehlung der Fachkommission zum Aufbau von ca. 1.000 Stellen kann daher nur ein Mindestansatz sein, auf den wir uns hier alle sicherlich leicht verständigen können.
- Wegen der methodischen Mängel der Kommission, die in der Anhörung vor allem von Prof. Dr. Dieter Müller von der Fachhochschule der Sächsischen Polizei aufgezeigt wurden, dürfen wir hier aber nicht stehen bleiben.
- Für uns ist die Evaluierung des Personalbedarfs bei der Sächsischen Polizei mit dem Abschlussbericht der eingesetzten Fachkommission eben nicht abgeschlossen.
- Wir von der AfD-Fraktion erkennen an, dass die LINKE mit ihrem Antrag die Mängel der bisherigen Evaluierung aufgreift. Wir können ihn in dieser Form jedoch nicht unterstützen.
- Es wird z.B. nicht richtig klar, was Sie eigentlich konkret wollen. Unter Ziffer I. 1. fordern Sie in ziemlich geschwurbelter und unverständlicher Sprache von der Staatsregierung organisatorische Vorkehrungen zur Fortsetzung des begonnenen Evaluierungsprozesses in Gestalt einer Polzei-Aufgabenevaluierung. Was soll das sein? Schauen Sie sich doch mal an, was aus dem einfachen Deutsch der Drucksache 6/1068 herausgelesen wurde. Und jetzt überlegen Sie mal, was die Staatsregierung aus Ihrem Antrag machen würde?
- Nachvollziehbar wäre es, wenn Sie explizit die Einsetzung einer neuen Kommission zur wirklichen Umsetzung des Parlamentsauftrages fordern würden, aber das tun Sie nicht.
- Unter III. fordern Sie die Erweiterung des Einstellungskorridors der Polizei auf mindestens 800 Polizeianwärter. Es ist schon sehr erstaunlich, dass sie einerseits die ergebnisoffene Fortsetzung der Evaluierung fordern, andererseits aber das Ergebnis schon jetzt so genau kennen, dass Sie hier mit so einer konkreten Zahl neuer Anwärter in die Bütt steigen. Dabei vergessen Sie allerdings zu klären, in welchem Verhältnis die Anwärter über die Laufbahngruppen verteilt sein sollen.
Ihrem Antrag kann man die vordergründig gute Absicht kaum absprechen.
Aber meinen Sie es von den Linken überhaupt ernst? Ich habe da meine Zweifel! Auf der einen Seite geben die Linken vor die Polizei stärken zu wollen. Auf der anderen Seite haben die Linken einen Abgeordneten, der gewalttätige Proteste für seine Ideologie mit „Alles richtig gemacht“ quittiert und eine Abgeordnete, die ein erheblich rechtsstaatsunfreundliches Verhalten zeigt und öffentlich auf einer von ihr angemeldeten und geleiteten Demonstration – „Haut den Bullen die Schädeldecke ein“ – verbreiten lässt. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Starkes Stück“.
- Die AfD-Fraktion wird sich daher bei der Abstimmung über den Antrag enthalten.