Wie kam es zur ersten sächsischen Kriminalitätsstatistik zum Thema „Zuwanderung“?

In den letzten Tagen wurde das Thema „Straftaten von Asylbewerbern“ intensiv diskutiert. Dabei kam es zu einigen Irritationen, weil am 17. Dezember sowohl Innenminister Markus Ulbig (CDU) mit der ersten Kriminalitätsstatistik zum Thema „Zuwanderung“ an die Öffentlichkeit ging als auch der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Sebastian Wippel, eine Auswertung der Straftaten von Asylbewerbern vorlegte. Dazu folgende Erklärung von Sebastian Wippel zum Zustandekommen der Auswertung:

MDR Info hat es wohl richtig erfasst: „Angriff ist die beste Verteidigung“, habe sich Innenminister Ulbig wahrscheinlich gedacht, als er auf meine Anfragen zu „Straftaten in direkter Verbindung mit Asylbewerbern“ (Drs.-Nr. 6/2712, 6/3063 und 6/3064) antworten musste. Leider haben sich jedoch nur die allerwenigsten Pressevertreter die Mühe gemacht zu hinterfragen, warum an einem Tag zwei im Detail verschiedene Auswertungen zum gleichen Thema erschienen.

Die Antwort darauf habe ich MDR Info im Interview schon gegeben: „Man hat immer gesagt, man könne diese Fragen nicht beantworten. Nachdem ich in der Mitte dieses Jahres dann eine Fragestellung gefunden habe, an der das Ministerium nicht vorbei konnte und mir Zahlen liefern musste, da hat das Ministerium die Anfragefrist um sie zu beantworten, nämlich vier Wochen, deutlich verstreichen lassen und wir mussten extra nachfragen im Ministerium, wo denn die Antworten bleiben. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft nicht wiederholt und das Ministerium offener mit den Zahlen umgeht und nicht erst versucht, die Zahlen monatelang hinterm Berg zu halten.“

Mitte Dezember musste Ulbig schließlich die Kleinen Anfragen beantworten, damit diese nicht zum Thema im Plenum des Sächsischen Landtages werden. Um uns jedoch den Wind aus den Segeln zu nehmen, entschied er sich anscheinend dafür, neben den Zahlen, die er als Antwort auf meine Anfragen lieferte, eine eigene Kriminalitätsstatistik „Zuwanderung“ herauszugeben. Durch diesen Kniff konnte er den Takt der Debatte selbst bestimmen und mußte nicht auf unangenehme Zahlen reagieren, die die Opposition mühsam in Erfahrung gebracht hat. Zum Glück gab es allerdings einige wenige Journalisten, die mißtrauisch wurden und die Hintergründe ausrecherchierten.

An den erschreckenden Fakten ändert dies freilich nichts: Ohne die Berücksichtigung demographischer Unterschiede (mehr Männer, jünger) und besonderer Umstände (Enge in den Unterkünften) verüben Asylbewerber im Durchschnitt zweieinhalb bis dreimal so viele Straftaten wie einheimische Bürger. Bei jungen, sächsischen Männern zwischen 18 und 30 Jahren liegt die Fallhäufigkeitszahl bei ca. 10.000 je 100.000 Personen (eigene Berechnung). Bei Asylbewerbern ist die Kriminalität auch da noch mit über 23.000 Fällen je 100.000 Personen deutlich höher.

Nun hat der Innenminister versucht den Eindruck zu erwecken, dies liege lediglich am „Schwarzfahren“ (Beförderungserschleichung) der Asylbewerber. 18 Prozent der Straftaten von Asylbewerbern könnten deshalb wegfallen, so Ulbigs Logik, wenn „Zuwanderer als Sachleistung aus ihrem Taschengeld ein personalisiertes Ticket bekommen“ würden. Dies ist durchaus ein sinnvoller Vorschlag. Trotzdem vermute ich, dass die Bürger im Freistaat Sachsen ihn als Ausweichmanöver eines hilflosen Innenministers wahrnehmen, der damit die Statistik schönen will. Genauso wie es einen absoluten Skandal darstellt, Asylbewerber aus der Arbeitslosenstatistik herauszunehmen, ist es auch nicht der richtige Weg, Kriminalität durch statistische Tricks senken zu wollen. Diese Strategie dürfte vielmehr der beste Nährboden für übertriebene Ängste und falsche Gerüchte in der Bevölkerung sein.

Zu Recht hat sich der Innenminister dagegen mit den Mehrfach-/Intensivtätern (MITA) beschäftigt, auf deren Konto die Hälfte aller Straftaten von Zuwanderern gehen soll. Allerdings ist es dem Freistaat Sachsen in den letzten Monaten nicht gelungen, ihre Zahl zu reduzieren. Ulbig fordert nun, „dass Personen, die sich im Asylverfahren befinden, ihren Aufenthaltsstatus künftig bereits verlieren, wenn sie rechtskräftig wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von deutlich unter drei Jahren verurteilt werden“. Bei dieser Forderung wird Ulbig Unterstützung von der AfD erhalten. So viel ist sicher. Doch er macht es sich damit auch ein bisschen zu einfach, weil der Freistaat Sachsen Paragraph 53 des Aufenthaltsgesetzes nicht im Alleingang ändern kann.

Eine Herabsetzung des Strafmaßes, um kriminelle Asylbewerber schneller abschieben zu können, fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Ulbig kann diesen Hebel nicht betätigen und muss folglich andere Strategien finden, um hier kurzfristige Verbesserungen zu erreichen. Der beste Weg für Sachsen dürfte es deshalb sein, Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive separat unterzubringen, ihre Verfahren zügig abzuschließen, Kriminelle konsequent zu inhaftieren und personell die Voraussetzungen zu schaffen, damit schnelle Abschiebungen gelingen können.

All dies ließe sich durch eine kluge Politik des Innenministers beeinflussen und bei all diesen Themen macht die AfD seit Monaten mit konkreten Anträgen im Landtag viel Druck, ohne dass die Regierung ihre Lethargie endlich ablegen würde. So richtig also manche Worte des sächsischen Innenministers auch sein mögen, so wenig unterstreicht er dies mit Taten. Erst im November hatte die AfD die sächsische Regierung z.B. dazu aufgefordert, Paragraph 53 des Aufenthaltsgesetzes (Zwingende Ausweisung) zu ändern. Alle etablierten Parteien und damit auch der Innenminister haben dies damals abgelehnt, obwohl manche von ihnen heute anders reden.