Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gestern angekündigt, dass er im Freistaat eine zentrale Einrichtung schaffen will, in der nur Asylbewerber mit geringen Bleibechancen unterkommen. Ihre Asylverfahren sollen möglichst schnell bearbeitet werden und bei einem negativen Bescheid soll zügig die Abschiebung erfolgen.
Die Erkenntnis, dass wir eine solche Einrichtung brauchen, ist natürlich längst überfällig. Stanislaw Tillich sollte nun für die schnelle Umsetzung dieses Vorhabens sorgen. Doch er muss sich auch Kritik gefallen lassen, da der Freistaat Sachsen in den letzten Jahren trotz steigender Asylbewerberzahlen und einem hohen Anteil von abgelehnten Anträgen immer seltener abgeschoben hat.
Sachsen schiebt immer seltener ab
Kam es 2013 noch zu 1.230 Abschiebungen, waren es 2014 nur noch 1.037. 2015 wurden bis Mai lediglich 396 abgelehnte Asylbewerber zurückgeführt. Dabei gibt es derzeit in Sachsen über 5.000 ausreisepflichtige Ausländer, die sich einzig und allein aufgrund des fehlenden politischen Willens und der Überforderung der Ämter noch in Deutschland aufhalten.
Obwohl sich die für die Abschiebung zuständigen Beamten in letzter Zeit auch öffentlich lautstark zu Wort meldeten, fehlenden Rückhalt aus der Politik bemängelten und auf fehlendes Personal hinwiesen, ist bisher wenig geschehen. Laut Angaben der „Unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite“, der Fachleute verschiedener Bundesländer sowie Vertreter der Bundespolizei angehören, werden bisher lediglich acht Prozent der Asylbewerber vom Balkan tatsächlich abgeschoben. Woran liegt das? Während sich die Zahl der Asylbewerber in den letzten fünf Jahren vervielfachte (+ 600 %), blieb die Personalsituation bei 85 % der Vollzugsbehörden entweder gleich oder verschlechterte sich sogar.
Die ganze Dimension der Probleme mit ausreisepflichtigen Ausländern erfassen
Hinzu kommt, dass in den zur Abschiebung vorgesehenen Einrichtungen unfassbare Zustände herrschen. Im für 200 Insassen gebauten Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt, in das auch abgelehnte Asylbewerber aus Sachsen im schlimmsten Fall gebracht werden sollen, saß im Februar gerade einmal eine Person. Der abgelehnte Asylbewerber wurde von 49 Mitarbeitern betreut. In anderen Abschiebegefängnissen sieht es ähnlich aus. In Berlin-Köpenick kümmerten sich stellenweise 166 Beamte um zwei Insassen. Pro Monat kostet das Gefängnis eine Million Euro. Aus diesem Grund wird derzeit darüber nachgedacht, die Abschiebehaftanstalten Berlin-Köpenick und Eisenhüttenstadt zusammenzulegen.
Wenn Tillich nun also eine Einrichtung für Asylbewerber mit geringen Bleibechancen umsetzen will, liegt er zwar vollkommen richtig. Zugleich scheint er aber überhaupt keine Ahnung von der tatsächlichen Abschiebepraxis in Deutschland zu haben, sonst würde er dieses Problem viel umfassender angehen.
Zum Beispiel müsste Tillich auch nach Lösungen für die mehrfach straffälligen Intensivtäter unter den Asylbewerbern suchen. Eine kleine Anfrage von mir ergab, dass sich davon gegenwärtig 499 in Sachsen aufhalten. Sie können bisher nicht abgeschoben werden, weil ihre Asylverfahren noch laufen oder sich ihre Herkunftsländer kooperationsunwillig zeigen.
Neben einer Einrichtung für Asylbewerber mit geringen Bleibechancen gibt es also für Tillich und seinen Innenminister Markus Ulbig viel zu tun. Bisher stellen sie sich der ganzen Dimension des Problems der ausreisepflichtigen Ausländer in Sachsen jedoch in keinster Weise.