Einem Bericht der WELT zufolge droht Deutschland bis 2020 das „große Ladensterben“. Jedes zehnte Geschäft könnte bis dahin pleitegehen. Dies würde zu einer Verödung der Innenstädte führen. In Görlitz kennt man das Problem schon seit mehreren Jahren. Aus diesem Grund gibt es einen Aktionsring, der für eine Belebung der Innenstadt sorgen soll und die Händler dabei unterstützt, bei immer neuen Herausforderungen konkurrenzfähig zu bleiben.
Dieser Aktionsring ist als Verein organisiert und damit maßgeblich auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Es ist schön, wenn sich Bürger für unsere Stadt einsetzen. Für ihren Einsatz sollten wir alle dankbar sein. Schließlich gilt: Wenn es den kleinen Händlern in Görlitz gut geht, wirkt unsere Stadt lebendiger und wird kulturell durch große Vielfalt sowie den persönlichen Kontakt zu den Gewerbetreibenden bereichert.
Das Positive ist also zunächst, dass zur Belebung der Görlitzer Innenstadt bereits etwas geschieht und die Bürger sowie Gewerbetreibenden vor Ort kräftig mit anpacken. Doch es gibt dennoch enorme Verbesserungsmöglichkeiten und einige strukturelle Fehlkonstruktionen, die auf den Prüfstand gehören.
Aufgabe der Politik ist es, für die Gewerbetreibenden gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Ansonsten sollte sich die Politik allerdings aus der Wirtschaft heraushalten und nicht den Fehler begehen, zu glauben, es sei ihre Aufgabe, als Unternehmensberater fungieren zu müssen. Was heißt das nun konkret für die Maßnahmen zur Belebung der Görlitzer Innenstadt?
- Es ist absolut lobenswert, dass es den Aktionsring gibt. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob es notwendig ist, dass dieser Verein durch Fördergelder der Europäischen Union, der Stadt Görlitz und des Freistaates Sachsen finanziell unterstützt werden muss. Das Problem ist die dabei anfallende Bürokratie: Dies gilt zum einen für den Verein, der Gelder in Brüssel, Dresden und Görlitz beantragen muss. Ein Riesen-Zeitaufwand, der besser dafür genutzt werden sollte, sich Gedanken über die Belebung der Innenstadt zu machen. Zum anderen gilt dies auch für die Steuergelder, die viel zu lang unterwegs sind, ehe sie an ihrem Bestimmungsort eingesetzt werden. Wir müssen uns also Gedanken machen, wie wir bestimmte Prozesse vereinfachen können: Wenn Bürger sich für unsere Stadt einsetzen wollen, muss ein Anruf oder Gang ins Rathaus reichen, um fachkundige Unterstützung zu erhalten. Weg mit dem Förder-Dschungel! Probleme in Görlitz können durch Görlitzer gelöst werden!
- Wir dürfen zudem eins nicht aus dem Blick verlieren: Dass, was der Aktionsring leisten will, müsste meinem Verständnis von Subsidiarität zufolge im Wesentlichen durch eine leistungsfähige Kommune abgedeckt werden. Für Sauberkeit, Sicherheit, ein originelles Stadtmarketing sowie eine konzeptionelle Idee für die Innenstadt ist der Staat zuständig. Privates Engagement ist immer gut, manchmal weist es uns aber auch daraufhin, dass am falschen Ende gespart wurde. Wir müssen also dahin kommen, dass die Kommunen selbst die Kraft haben, das Erscheinungsbild der Städte zu prägen. Wir brauchen starke Kommunen und müssen politische Macht und Gestaltungsmöglichkeiten nach unten verlagern!
- In Görlitz soll auf Initiative des Aktionsrings ein „Business Improvement District“ (BID) entstehen. Dafür gibt es seit 2012 sogar ein sächsisches BID-Gesetz. Wer jetzt im ersten Augenblick nur „Bahnhof“ versteht, dem geht es genauso wie mir. Mit Gesetzen und sperrigen, englischen Fachvokabeln, unter denen sich niemand etwas vorstellen kann, gewinnt man die Bevölkerung nicht dafür, sich zu engagieren und für Politik zu interessieren. Statt mit abgehobenen Fachbegriffen zu jonglieren, sollten Politik, Verwaltung und die Initiativen, die sich für Görlitz einsetzen, alles daran setzen, die Bevölkerung emotional mitzunehmen. Ein „Wir für Görlitz“ entsteht nur, wenn wir in einfachen Worten erklären können, wie sich jeder Einzelne für die Stadtgemeinschaft einbringen kann.